Es gibt als Musikliebhaber immer wieder Momente, da möchte man einfach den aktuellen Mageninhalt oral mit Höchstgeschwindigkeit auswerfen.
Vor allem, wenn ich ein Gewäsch wie von Siegfried Kauder (Vorsitzender des Rechtsausschusses des Bundestags, CDU) höre: "Es ist Mode geworden, die Freiheitsrechte des Bürgers in den Vordergrund zu stellen."
In dieser Woche legt er nochmal nach und will innerhalb der nächsten zwei Monaten "einen Gesetzentwurf einbringen", der auch ausdrücklich Sanktionen bis hin zur Sperrung des Internetanschlusses mit sich bringt. Als Mittel zum Zweck dienen hier technische Maßnahmen, die kollateral einen riesigen Eingriff in die bürgerlichen Grundrechte mitbringen.
Auch wenn im Koalitionsvertrag etwas anderes steht. Ein solcher ist ja nicht "das Amen in der Kirche".
Moment, wer will doch gleich die Freiheiten einschränken, indem Alles und Jeder per se überwacht wird?
Genau: Der Typ, der
a) Lobbytechnisch gefangen ist und
b) sich mit Händen und Füßen gegen eine eigene Transparenz wehrt.
Wie will man einen solchen "Volksvertreter" inklusive Kauderwelsch denn noch ernst nehmen?
Leider kommen solche Hansels aka Internetausdrucker in der Bundespolitik viel zu weit.
Und bringen alle Musikliebhaber in Verruf und Verdacht.
Am besten gefällt mir die Reaktion von Markus mit einem offenen Brief an Siegfried Kauder:
beginnen möchte ich mit einem Zitat:
Das Internet ist Segen und Fluch zugleich. Es ist eine Plattform, wo man kommunizieren kann und wahnsinnig viele Informationen bekommen kann. Aber es ist auch eine Plattform für Straftaten. Man darf das nicht nur aus einem Blickwinkel sehen. Jeder hat seine eigene Position, die darf er in einer Volkspartei auch haben. Nur man darf nicht überziehen, darf nicht populistisch argumentieren, sondern muss sachliche Lösungen anbieten.Das sagten Sie, Herr Kauder, am 29.07.2011 laut heute.de.
Als Vorsitzender des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, Abgeordneter in der CDU-Fraktion und aus dem Wahlkreis Schwarzwald-Baar-Kreis, haben Sie nun eine Idee in die Welt gesetzt. Sie möchten ein Gesetz auf den Weg bringen, dass Urheberrechtsverletzern den Internetzugang kappt. So etwas gibt es bislang in Frankreich (“Lois Hadopi”), in Italien wird daran gerade gewerkelt und was für Sarkozy und Berlusconi richtig scheint, daran können Sie offenbar auch nichts verfassungswidriges sehen, wenn man es denn nur für wenige Wochen machen würde.
Ich möchte Ihnen kurz mein Problem damit skizzieren:
Der Zugang zum Internet ist kein Spielzeug, wie es sich für Sie darstellt. Er ist Grundvoraussetzung für wirtschaftliche, gesellschaftliche, soziale und demokratische Teilhabe (was die aktuelle Rechtslage leider momentan an vielen Stellen nicht widerspiegelt).
In meinem Internetverkehr hat mein Provider nichts verloren. Er hat sich um diesen nicht zu kümmern, so wenig wie sich die Möbelspedition beim Umzug um die Schönheit meines Interieurs scheren soll, so wenig sich die Post um den Inhalt meiner Briefe oder der Nachbar um den Inhalt für mich angenommener Pakete kümmern soll, so lange ich ihn nicht drum bitte.
Selbst wenn ich die Idee als solche für gut befände, ist sie unter praktischen Aspekten hochgradiger Unsinn: wie wollen Sie das denn technisch umsetzen? Meinen DSL-Anschluss kappen? Oder mein UMTS? Welches Kärtchen denn? Wie wird mir denn der Zugang zum temporärem Bundestags-WLAN verwehrt, wenn ich mir wieder ermüdend langatmige Enquete-Kommissions-Sitzungen anschauen darf? Wollen Sie mir nicht lieber alle Endgeräte wegnehmen? Oder beides? Oder wie jetzt?
Die (verhältnismäßig überschaubaren) Probleme der Musik-, Film- und Buchbranche, deren Interessen sie schützen möchten, sind in erster Linie durch das Nichtanbieten medien- und nutzergerechter digitaler Geschäftsmodelle verschuldet. Vieles davon erscheint mir eher wie der Wunsch nach Gewinnsicherung auf hohem Niveau, manches nach “irgendeiner muss doch schuld sein” und als freischaffender Künstler kann ich Ihnen nur raten: wann immer Sie von einem Wirtschaftsverband angesprochen werden, der sagt, er würde im Namen der Autoren/Urheber sprechen, schmeißen Sie ihn sofort wieder hinaus.
Die nicht demokratischen und transparenten Ansprüchen genügenden, auch von der aktuellen Enquete-Kommission in Wiederholung der 1998er-Empfehlung als dringendst reformbedürftig bezeichneten Verwertungsgesellschaften, die Verbände der Verlage: gucken Sie sich doch bitte einmal die Wahrnehmungsverträge und Autorenverträge an. Wer presst hier wen aus? Der böse Raubkopierer die Produzenten? Was hat das mit den Künstlern zu tun? Nichts. Hier geht es um Profitmaximierung, Gewinnstreben. Das ist legitim. Es legitimiert aber nicht jedes Mittel – und schon gar keinen Grundrechtseingriff dieser Größenordnung.
Sie haben doch gefordert, dass man keine populistischen Schnellschüsse bei der Netzpolitik machen soll. Nun frage ich mich, wie das mit Ihrem Vorschlag zusammengehen soll. Zudem würde ich mich freuen, wenn Sie mir mitteilen würden, wie Sie zur Problematik der Schlechterstellung des Verbrauchers beim Erwerb Digitaler Güter gegenüber dem physischen Pendant durch Nichtveräußerbarkeit stehen.
Mit freundlichen Grüßen,
Markus Beckedahl
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